Forschung an Orchideen

Seit mehr als 20 Jahren wird im Botanischen Garten München intensiv an Blütendüften geforscht. Sie spielen in der Natur eine wichtige Rolle in der Kommunikation zwischen Blüten und ihren Bestäubern. Mit Hilfe der Blütendüfte finden die Bestäuber die von ihnen gesuchten Blüten. Dabei hat die visuelle Orientierung meist nur eine untergeordnete Funktion, zum Beispiel eine weiße Blütenfarbe für nacht-aktive Schwärmer.

Raffiniertes Belohnungssystem

Im tropischen Lateinamerika hat sich ein besonderes Bestäubungssystem entwickelt, bei dem die Blütendüfte als Belohnung für den Bestäuber dienen. Diese Blüten zeichnen sich durch eine reichhaltige Duftproduktion aus: Die auf der Oberfläche der Blüten ausgebreiteten Parfüme werden von Prachtbienen der Bienengruppe Euglossini, die es nur in Mittel- und Südamerika gibt, eifrig gesammelt. Während bei den Bestäubungsvorgängen fast nur die weiblichen Bienen involviert sind, werden die Blütendüfte ausschließlich von männlichen Tieren aufgenommen. Die gesammelten Duftstoffe sind für die Reproduktionsbiologie der Bienen von zentraler Bedeutung. Duftofferierende Blüten, sogenannte „Parfümblumen“, haben sich in den verschiedensten Pflanzenfamilien entwickelt.

Parfümblumen

Neben den Orchideen mit etwa 800 Arten dieses Typs, sind hier die Familien der Nachtschattengewächse, die Gesneriengewächse, die Wolfsmilchgewächse sowie die Aronstabgewächse zu nennen. Dem gegenüber stehen fast 190 Arten von Prachtbienen.

Die verschiedenen Arten der Prachtbienenmännchen haben artspezifische Präferenzen für die Duftkompenenten, die sie an den Blüten suchen. Dieses Verhalten haben sich die „Parfümblumen“ zu Nutze gemacht, sie locken mit ebenfalls artspezifischen Duftkompositionen jeweils nur eine oder sehr wenige Bienenarten zu ihren Blüten. So entwickelt sich ein hocheffizientes Bestäubungssystem, das seinen Ausdruck in extrem kurzlebigen Blüten findet. Im Gegensatz dazu sind die als Zimmerpflanzen bevorzugt kultivierten Orchideen, beispielsweise Phalaenopsis-Arten mit Blütezeiten von oft mehr als einem Monat, eine Konsequenz aus ineffektiver Bestäubung. Ein Superlativ an effektiver Bestäubung hingegen ist die Gattung der Coryanthes. Sie bringt mit mehr als 100 Gramm die schwersten Blüten innerhalb der Orchideen auf die Waage. Ihre Blüten überdauern in der Natur bei gutem Wetter nur einen Vormittag. Sofort nach dem Öffnen werden werden sie emsig von Prachtbienenmännchen besucht und bestäubt.

Einzigartige Sammlung & Forschung

Am Botanischen Garten München wurde eine einzigartige Sammlung dieser Parfümblumen zusammengetragen, an denen umfassend geforscht wird. Die in der Natur sehr selten vorkommenden Arten, die zudem nur kurz blühen, können nur in einem Botanischen Garten zielgerichtet untersucht werden. Durch den schwierigen Zugang und die kurze Blütezeit in ihrer natürlichen Umgebung – im Garten bis zu drei Tagen – würde solcher Forschung sonst schnell Grenzen gesetzt werden. In den Gewächshäusern kann das Aufblühen abgewartet werden, um den Blütenduft zu sammeln. Dazu werden die Blüten, die sich noch an der Pflanze befinden, in ein Glas gehängt. Dieses wird locker abgedeckt, so kann die Umgebungsluft abgesaugt werden. Die duftgeschwängerte Luft wird durch eine Art Filter geleitet, in welchem die Duftmoleküle zurückbleiben. Die Prozedur dauert etwa zwei Stunden, danach wird der Filter mit Lösungsmittel gespült, woraufhin sich die Duftstoffe im Lösungsmittel sammeln. Schließlich wird diese Lösung mittels eines Gaschromatografen aufgetrennt und die enthaltenen Duftstoffe identifiziert.

Die Identifikation vieler der in Blütendüften enthaltenen Komponente ist eine große Herausforderung, die nicht allein im Botanischen Garten geleistet werden kann. Hier bot sich um 1995 die Zusammenarbeit mit den Forschungslaboratorien der Parfümindustrie an, die über entsprechendes Können und Wissen sowie über empfindliche Analysegeräte verfügen. Dabei ergab sich ein beidseitiger Nutzen: Die botanische Wissenschaft war an der Aufklärung der Duftkompositionen interessiert, die Parfümeure an Ideen für neue Kreationen. So entstand eine langjährige Kooperation zwischen dem Botanischen Garten München und Dr. Roman Kaiser von Givaudan (Dübendorf, Schweiz).